Buch 15: Galerie der Nicht-Religiösen

Porträts von Atheisten, säkularen Humanisten, Freidenkern, Agnostikern und Konfessionsfreien

Diskurs 15.573


Denis Diderot (1713 - 1784)

Denis Diderot, geboren am 5. Oktober 1713 in Langres (Champagne, Frankreich), gestorben am 31. Juli 1784  in Paris, war ein französischer Philosoph, Schriftsteller und Mitgestalter der Aufklärung.

(1) Herkunft, Jugend; Ausbildung

Diderot wuchs in wohlhabenden Verhältnissen als ältester Sohn eines Messerschmiedemeisters auf. Zunächst  besuchte er eine Jesuitenschule in Langres, danach das Collège d’Harcourt in Paris, das er 1732 mit dem Magister Atrium abschloss. Anschließend arbeitete er in Paris als freiberuflicher Schriftsteller und Übersetzer. Ab 1734 widmete er sich in Paris humanistischen Studien. 1743 wollte er eine nach Ansicht seines Vaters nicht standesgemäße Frau heiraten. Dieser ließ den Sohn in ein Kloster einsperren, um die Ehe zu verhindern. Diderot konnte jedoch bald nach Paris fliehen und heiratete heimlich.

(2) Berufsweg

Bis 1746 bestritt Diderot seinen Lebensunterhalt als Privatlehrer, Auftragsschriftsteller und Übersetzer. 1746 gab er ein erstes Buch heraus.  1751-1780 war Diderot mit 200 Mitarbeitern Autor und Herausgeber der 35-bändigen „Encyclopédie“. Obwohl er auf philosophischem und literarischem Gebiet, nicht zuletzt durch die Herausgabe der Encyclopédie, herausragende Verdienste erworben hatte, blieben ihm die Pforten der französischen und der ausländischen Akademien, ausgenommen der preußischen, trotz reger Bemühungen seiner Freunde verschlossen.. Seine für die damalige Zeit radikalen philosophischen Anschauungen, die er auch öffentlich zu verkünden wagte, hatten ihm dafür zu viele Feinde geschaffen.

(3) Sein atheistischer Bezug, sein Werk

Diderot vertrat eine Erkenntnistheorie, die strikt auf göttliche Offenbarungen verzichtete.  Die Materie wird seiner Ansicht nach auf drei Arten erkannt:
1. durch Beobachtung, 2.durch Denken und 3.durch Experiment.

Den Agnostizismus lehnte er entschieden ab und verteidigte die Idee von der Erkennbarkeit der Welt.

Diderots Weg zum Atheismus führte über den Deismus und Pantheismus. Sein erstes eigenständiges Werk, die 1746 veröffentlichten Pensées philosophiques, waren von den deistischen Ideen Shaftesburys und Spinozas beeinflusst. Dabei kam er zu dem Schluss, dass der Pantheismus, das heißt die Verehrung Gottes in der Natur, die beste Religion sei. Die katholische Kirche tolerierte diese Auffassung nicht. Sie veranlasste kurz nach Erscheinen die öffentliche Verbrennung des Buches durch den Henker. In seinem  zweiten großen Werk, dem Lettre sur les aveugles (1749) setzte sich Diderot vordergründig mit der Philosophie des blinden Cambridger Mathematikprofessors Nicholas Saunderson auseinander, die stark von atheistischen Zügen geprägt war. Diderot stellte die Absolutheit christlicher Moralvorstellungen in Frage. Nacktheit habe bei Blindheit keinerlei Bedeutung. Folglich sei deren Verurteilung allenfalls relativ. Diderot dehnt diesen Relativitätsbegriff nachfolgend auch auf das Gottesverständnis aus.

Der Lettre sur les aveugles kennzeichnet den Wechsel Diderots von der noch in den Pensées philosophiques vertretenen deistisch-pantheistischen Weltauffassung zu einer materialistisch-atheistischen. Die katholische Kirche reagierte noch schärfer. Diderot wurde im Juli 1749 verhaftet und musste einige Monate im Verlies des Schlosses von Vincennes verbringen.

Diderots nächstes wichtiges Werk, De l’interprétation de la nature, erschien 1753. Konsequent wandte er sich den Naturwissenschaften zu, weil sie seiner  Erkenntnistheorie über die Natur entsprachen. Die Chemie, die Physik und die Biologie waren seiner Meinung nach die Wissenschaften der Zukunft.

1760/61 beschreibt er in seinem kirchenkritischen Roman La Religieuse („Die Nonne“) den Leidensweg einer unfreiwilligen Nonne. Dieses Werk wurde 1991 verfilmt (mit Liselotte Pulver).

(4) Mit wem hatte er in der atheistischen Szene Kontakte

Durch seine Arbeit an der „Encyclopédie“ hatte Diderot  regen Kontakt zu den herausragenden Denkern seiner Zeit. Dazu zählten nicht nur die französischen Philosophen Voltaire, Rousseau, Montesquieu und Hevétius, sondern auch der Mathematiker d’Alembert, der deutschfranzösische Naturwissenschaftler Paul Thiry d’Holbach oder der deutsche Diplomat und Philologen Friedrich Melchior Grimm. Die meisten seiner Mitstreiter waren Atheisten oder zumindest engagierte Kirchengegner.

(5) Allgemeine Wirkung. Bezug zu heute

Diderot setzte konsequent auf Bildung, um die Massen zu befähigen, sich aus der Abhängigkeit von Adel und Klerus zu befreien. Mit der „Encyclopédie“  wollte er der breiten Bevölkerung den Zugang zur Bildung ermöglichen, damit sie für Demokratie und ein selbstbestimmtes Leben befähigt werden. Seine Erkenntnistheorie ist in den Wissenschaften längst selbstverständlich geworden.

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Autor: Paul Schulz