Buch 10: Atheistische Anthologie

Literaturgeschichte des Atheismus mit Originaltexten und Buchverweisen

Diskurs 10.620


Feuerbach, Ludwig.
Die Religion in ihrer Übereinstimmung mit dem Wesen des Menschen (1841)

(1) Der Text aus   DAS WESEN DES CHRISTENTUMS (1841):

Ludwig Feuerbach
Die Religion in ihrer Übereinstimmung
mit dem Wesen des Menschen

Ludwig Feuerbach

Das Wesen des Christentums

Die Religion ist das bewusstlose Selbstbewusstsein des Menschen. In der Religion ist dem Menschen sein eignes Wesen Gegenstand, ohne dass er weiß, dass es das seinige ist; das eigne Wesen ist ihm Gegenstand als ein andres Wesen. Die Religion ist die Entzweiung des Menschen mit sich: Er setzt sich Gott als ein ihm entgegen gesetztes Wesen gegenüber. Gott ist nicht, was der Mensch ist – der Mensch nicht, was Gott ist. Gott ist das unendliche, der Mensch das endliche Wesen, Gott vollkommen, der Mensch unvollkommen, Gott ewig, der Mensch zeitlich, Gott allmächtig, der Mensch unmächtig, Gott heilig, der Mensch sündhaft. Gott und Mensch sind Extreme: Gott das schlechthin Positive, der Inbegriff aller Realitäten, der Mensch das schlechthin Negative, der Inbegriff aller Nichtigkeiten.

Aber der Mensch vergegenständlicht in der Religion sein eignes geheimes Wesen. Es muss also nachgewiesen werden, dass auch dieser Gegensatz, dieser Zwiespalt, mit welchem die Religion anhebt, ein Zwiespalt des Menschen mit seinem eignen Wesen ist.

Die innere Notwendigkeit dieses Beweises ergibt sich übrigens schon daraus, dass, wenn wirklich das göttliche Wesen, welches Gegenstand der Religion ist, ein andres wäre als das menschliche, eine Entzweiung, ein Zwiespalt gar nicht stattfinden könnte. Ist Gott wirklich ein andres Wesen, was kümmert mich seine Vollkommenheit? Entzweiung findet nur statt zwischen Wesen, welche miteinander zerfallen sind, aber eins sein sollen, eins sein können und folglich im Wesen, in Wahrheit eins sind. Es muss also schon aus diesem allgemeinen Grund das Wesen, mit welchem sich der Mensch entzweit fühlt, ein ihm eingeborenes Wesen sein, obwohl es zugleich anderer Beschaffenheit sein muss als das Wesen oder die Kraft, welche ihm das Gefühl, das Bewusstsein der Einheit, der Versöhnung mit Gott, oder, was eins ist, mit sich selbst gibt.

Dieses Wesen ist die Intelligenz – der Verstand. Gott als Extrem des Menschen gedacht, ist das objektive Wesen des Verstandes. Das reine, vollkommene, mangellose göttliche Wesen ist das Selbstbewusstsein des Verstandes, das Bewusstsein des Verstandes von seiner eigenen Vollkommenheit.

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(2) Der Autor: Ludwig Feuerbach

Feuerbach ist am 5. Mai 1804 in Landshut in Bayern geboren. Er ist am 13. September 1872 in Rechenberg bei Nürnberg. Er wurde 68 Jahre alt.

(3) Der Textort: DAS WESEN DES CHRISTENTUMS

Geschrieben 1841.

(4) Texthinweise:

(5) Textrezeption: