Buch 10: Atheistische Anthologie

Literaturgeschichte des Atheismus mit Originaltexten und Buchverweisen

Diskurs 10.625


Marx, Karl.
11 Thesen gegen Feuerbach (1845/6)

(1) Der Text aus DIE DEUTSCHE IDEOLOGIE (1845/46):

Karl Marx
11 Thesen über Feuerbach
ad Feuerbach

Karl Marx

Die Deutsche Ideologie

1.
Der Hauptmangel alles bisherigen Materialismus (den Feuerbachschen mit eingerechnet) ist, dass der Gegenstand, die Wirklichkeit, Sinnlichkeit nur unter der Form des Objekts oder der Anschauung gefasst wird; nicht aber als sinnlich-menschliche Tätigkeit, Praxis, nicht subjektiv,
daher die tätige Seite abstrakt im Gegensatz zu dem Materialismus von dem Idealismus – der natürlich die wirkliche, sinnliche Tätigkeit als solche nicht kennt – entwickelt. Feuerbach will sinnliche – von den Gedankenobjekten wirklich unterschiedene Objekte: aber er fasst die menschliche Tätigkeit selbst nicht als gegenständliche Tätigkeit. Er betrachtet daher im Wesen des Christentums nur das theoretische Verhalten als das echte menschliche, während die Praxis nur in ihrer schmutzig-jüdischen Erscheinungsform gefasst und fixiert wird. Er begreift daher nicht die Bedeutung der „revolutionären“, der praktisch-kritischen Tätigkeit.

2.
Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme, ist keine Frage der Theorie, sondern ein praktische Frage.
In der Praxis muss der Mensch die Wahrheit, i.e Wirklichkeit und Macht, Diesseitigkeit seines Denkens beweisen. Der Streit über die Wirklichkeit oder Nichtwirklichkeit des Denkens – das von der Praxis isoliert ist -, ist eine rein scholastische Frage.

3.
Die materialistische Lehre von der Veränderung der Umstände und der Erziehung vergisst, dass die Umstände von den Menschen verändert und der Erzieher selbst erzogen werden muss.
Sie muss daher die Gesellschaft in zwei Teile – von denen der eine über ihn erhaben ist – sondieren. Das Zusammenfallen des Änderns der Umstände und der menschlichen Tätigkeit oder Selbstveränderung kann nur als revolutionäre Praxis gefasst und rationell verstanden werden.

4.
Feuerbach geht von dem Faktum der religiösen Selbstentfremdung, der Verdoppelung der Welt in eine religiöse und eine weltliche, aus. Seine Arbeit besteht darin, die religiöse Welt in ihre weltliche Grundlage aufzulösen.
Aber dass die weltliche Grundlage sich von sich selbst abhebt und sich ein selbständiges Reich in den Wolken fixiert, ist nur aus der Selbstzerrissenheit und Sichselbstwidersprechen dieser weltlichen Grundlage zu erklären. Diese selbst muss also in sich selbst sowohl in ihrem Widerspruch verstanden als praktisch revolutioniert werden. Also nachdem z.B. die irdische Familie als das Geheimnis der heiligen Familie entdeckt ist, muss nun die erstere selbst theoretisch und praktisch vernichtet werden.

5.
Feuerbach mit dem abstrakten Denken nicht zufrieden, will die Anschauung; aber er fasst die Sinnlichkeit nicht als praktische menschlich-sinnliche Tätigkeit.

6.
Feuerbach löst das religiöse Wesen in das menschliche Wesen auf. Aber das menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum innewohnendes Abstraktum. In seiner Wirklichkeit ist es das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse
. Feuerbach, der auf die Kritik dieses wirklichen Wesens nicht eingeht, ist daher gezwungen:

1. Von dem geschichtlichen Verlauf zu abstrahieren und das religiöse Gemüt für sich zu fixieren und ein abstrakt-isoliert-menschliches Individuum vorauszusetzen.

2. Das Wesen kann daher nur als „Gattung“, als innere, stumme, die vielen Individuen natürlich verbindende Allgemeinheit gefasst werden.

7.
Feuerbach sieht daher nicht, dass das „religiöse Gemüt“ selbst ein gesellschaftliches Produkt ist und dass das abstrakte Individuum, das er analysiert, einer bestimmten Gesellschaftsform angehört
.

8.
Alles gesellschaftliche Leben ist wesentlich praktisch.
Alle Mysterien, welche die Theorie zum Mystizismus veranlassen, finden ihre rationelle Lösung in der menschlichen Praxis und in dem Begreifen dieser Praxis.

9.
Das Höchste, wozu der anschauliche Materialismus kommt, d.h. der Materialismus, der die Sinnlichkeit nicht als praktische Tätigkeit begreift, ist die Anschauung der einzelnen Individuen und der bürgerlichen Gesellschaft.

10.
Der Standpunkt des alten Materialismus ist die bürgerliche Gesellschaft, der Standpunkt des neuen die menschliche Gesellschaft oder die gesellschaftliche Menschheit.

11.
Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kömmt darauf an, sie zu verändern.

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(2) Der Autor: Karl Marx

Karl Marx ist am 5. Mai 1818 in Trier geboren. Er ist am 14. März 1883 in London. gestorben. Er wurde fast 65 Jahre alt.

Marx ist in einem evangelischen Pfarrhaus aufgewachsen, das bedeutet, er ist im Geist des Protestantismus erzogen worden.

(3) Der Textort: DIE DEUTSCHE IDEOLOGIE

1845/46 geschrieben.

(4) Texthinweise:

(5)  Textrezeption: