ATHEODOC

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Einleitung IV.2

Strukturen
eines MAGNUS KONSENSUS
im säkularen Weltbild

(1) Ein MAGNUS KONSENSUS entsteht und wächst, er entfaltet sich.

Ein MAGNUS KONSENSUS ist nicht automatisch vorgegeben. Er ergibt sich, indem viele kritisch denkende Menschen auf ihn zuarbeiten. Im Mitdenken ergibt sich im besten Fall eine gemeinsame Überzeugung und damit eine immer größer Übereinstimmung, ein gleichsam wachsender MAGNUS KONSENSUS

Eine Übereinstimmung kritischer Menschen hat meistens eine lange Vorgeschichte, in der das Vernunftdenken eine tragende Erkenntnis entwickelt hat. Gerade auch im Denken ohne Gott fängt heute kein Mensch bei Null an. Er steht immer in einer langen faszinierenden Tradition kritisch denkender Menschen. Deshalb bedarf es immer wieder des Rückgriffs auf die Geistes- und Philosophiegeschichte, in der schon über die Welt und den Mensch ohne Gott Wesentliches vorausgedacht worden ist. Gemeinsame Überzeugungen entstehen gerade auch heute aufgrund ihrer Vorgeschichte.

(2) Ein MAGNUS KONSENSUS ergibt sich als Folge logischen Denkens.

Vergegenwärtigt und aktualisiert werden muss diese historische Substanz natürlich mit der ständigen Prüfung, ob das Vorhergedachte heute noch eine Bedeutung hat und welche. Von daher entsteht aus der Tradition heraus ein MAGNUS CONSENSUS erst dadurch, dass das Alte im Zeitgeist eine neue logische Gültigkeit gewinnt. Das aktuelle logische Denken entscheidend darüber, ob sich aus der Ideen- und Geistesgeschichte heraus ein Konsens erweist, oder ob dazu ganz gezielt im Kontra gedacht werden muss. Immer aber ist das Vorausgedachte natürlich eine wichtige Meßlatte für das eigene Denken.

– Der Einzelne kann sich in diesem Denkprozess engagieren, kann ihn mit seinem logischen Verstand mittragen und fördern. Er selbst kann dabei Impulse geben, aber selber auch viele Impulse erfahren. Allein der offene Denkaustausch ist eine Bereicherung des persönlichen Lebens, allzumal die Erfahrung, an offenen Fragen gemeinsam positive Annäherung zu finden.

– Der Einzelne kann sich dem natürlich auch verweigern. Dann wird er ganz gezielt einen anderen Weg gehen, andere Denkmodelle versuchen. Vielleicht findet er einen eigenen Weg, der ihn zu einem anderen Konsens führt. Alle Wege sind offen. Auch der Weg, noch einmal wieder auf einen verlassenen Denkpfad zurück zu kommen.

Jeder hat und behält gerade im Denken ohne Gott das Recht zu denken und zu glauben, was er will. Aus sich heraus wird das für andere allerdings nur überzeugend, wenn es logisch legitimieren kann.

(3) Ein MAGNUS KONSENSUS ist im kritischen Dialog grundsätzlich nach vorne offen.

Ein Konsens gilt nur so lange, bis er in seiner Erkenntnis und damit in seinem Wissensstand widerlegt wird. Jeder säkulare Konsensus unterliegt damit der erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Kritik, gerade also jener Vernunftinstanz, der sich religiöse und dogmatische Behauptungen prinzipiell verweigern und entziehen. So formuliert der christliche Glaube: Credo quia absurdum est – ich glaube, gerade weil es gegen den Verstand geht, weil es absurd ist. Darauf bauen sich fast alle religiösen Wahrheiten auf und sind in diesem Grundsatz fest eingemauert.

Einen säkularen Konsens dagegen gibt es nur mit der Vernunft und nicht gegen die Vernunft. Deshalb ist die Geschichte des säkularen Denkens vor allem auch eine Geschichte des Falsifizierens. Falsifizieren bedeutet, eine bisher für richtig gehaltene Erkenntnis offiziell für falsch erklären. Die säkulare Vernunft erkennt zuerst, dass eine bisherige Behauptung falsch ist. Sie hält deshalb daran nicht krampfhaft fest, sondern sucht mit aller Kraft nach einer neuen vernunftgemäßen Antwort, nach einer neuen logischen Erkenntnis. Darin liegt die denkerische Offenheit. Sie muss so lange suchen, bis sich ihr eine bessere Erkenntnis erweist. Wenn das lange Zeit dauert, dann gibt es in dieser Zeit eben keine neue Antwort. Es ist der kritischen Vernunft keine Lösung, bei einer offenen Frage weiter mit einer falsifizierten Behauptung zu antworten und zu leben. Es ist dann besser zu sagen: Ich weiß es nicht.

Viele, vor allem die Religiösen, leben lieber weiter mit falsifiziertem Wissen. Sie hängen am Alten, haben keinen Mut zum Neuen. Das bedeutet, dass ihre Vorstellungen von der Realität oft von vorne bis hinten nicht stimmen. Sie behaupten sie trotzdem. Ein kritischer Mensch dagegen kann mit offenen Fragen leben bis sich ihm eine neue logische Antwort erweist. Übrigens: Auch die ist dann wieder nicht zwingend endgültig, sondern auch sie ist falsifizierbar, nach vorne offen. Der kritisch denkende Mensch, der Atheist allzumal, lebt prinzipiell in einem so nach vorne offenen Bewusstsein.

(4) Ein MAGNUS KONSENSUS zielt auf Gemeinschaft.

Das gemeinsame Denken auf Konsens hin schafft natürlich Gemeinschaft, nicht zwingend Gemeinschaft der ähnlich oder gleich Wissenden, sondern Gemeinschaft der ähnlich oder gleich Denkenden. Der Atheismus muss dabei zeigen, dass der moderne Mensch als autonomes Wesen gerade auch ohne Gott in freier Gemeinschaft und Solidarität leben kann.

Pierre Bayle

Pierre Bayle, einer der ersten großen europäischen Aufklärer, hat 1697 seinen berühmten Satz geschrieben: Ich könnte mir eine Gesellschaft der Atheisten vorstellen. Mit dieser These hat er damals das verschlafene christliche Abendland erschüttert. Ein entsetzter Aufschrei begegnete ihm: Atheisten! Diesem Aufschrei folgte die Französische Aufklärung (Diderots), damit ein erster gewaltiger Zusammenbruch der geistigen Bevormundung durch die Kirchen, und mit ihm die Freisetzung des autonomen Individuums.

Das Denken ohne Gott hat von da an unsere Welt von Grund auf verändert. Wir leben positiv von den Errungenschaften der entstandenen säkularen Zivilisation. Der Mensch wurde befreit zu glauben oder nicht zu glauben, was er will. Doch schockt auch heute noch über dreihundert Jahre später Bayle´s Vision noch weite Kreise der bürgerlichen Gesellschaft: Eine Gesellschaft der Atheisten!

Die Atheisten müssen immer noch ihre positive Gemeinschaftsfähigkeit beweisen. Das klingt bei der Uneinigkeit der christlichen Konfessionen und der spaltenden christlichen Gesellschafts- und Weltpolitik fast makaber und absurd. Dennoch ist es zugleich eine scharfe Ermahnung an die Atheisten, sich endlich auf gesellschaftlichen Gemeinsinn hin zu orientieren, das heißt, zu allererst nach dem MAGNUS KONSENSUS ihrer atheistischen Identität zu suchen. Nur darüber finden sie Anerkennung und kommen im derzeitigen rapiden sozialen Wandel konstruktiv zur Wirkung. ATHEODOC bietet eine Basis, einen solchen gemeinschaftlichen Bewusstwerdungsprozess in Gang zu setzen.

(5) Jeder überzeugende MAGNUS KONSENSUS birgt deshalb die Chance auf eine gemeinschaftsfähige Zukunft.

Befreiung ist immer Befreiung nach vorn, ist immer eine Zukunftschance, eine Chance auf Zukunft. Der Atheist kann diese Chance auf Zukunft hin begreifen und verwirklichen, denn gerade er wendet sich mit seiner Abkehr von der Religion in seiner geistigen Freisetzung von hinten weg nach vorn: Nicht das gelebte Leben ist Existenz. Das noch zu lebende Leben in allen seinen Möglichkeiten ist Existenz. Dieses zu lebende Leben liegt immer vorne in der Zukunft. Also lebe!

Gerade darauf zielt der MAGNUS KONSENSUS der Atheisten.